Wednesday, December 06, 2006

Nutzen von Pflegeinformationssystemen im Hinblick auf eine mögliche DRG- Finanzierung

Im Folgenden wird die Frage, ob professionelle Pflege aus der Implementierung von Pflegeinformationssystemen einen Nutzen ziehen kann, kurz bearbeitet.

Bereits im Jahre 2005 wurde im Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien CDU/CSU und SPD festgelegt, dass die DRG- Weiterentwicklung als Finanzierungsgrundlage medizinisch- pflegerischer Versorgung, unter anderem im Hinblick auf den Pflegebedarf, vorangetrieben werden soll (vergl. deutscher Pflegerat, 2006).(1)

Aufgrund dieser Tatsache stellt sich die Frage, wie sich zukünftig professionelle Pflege im Zusammenhang mit einer weiterentwickelten DRG- Budgetierung als mögliches Finanzierungsmodell pflegerischen Handelns präsentiert und positioniert. In diesem Zusammenhang wird nur eine möglichst präzise und standardisierte Erfassung und Darstellung pflegerischen Handelns die Basis für eine leistungsgerechte Vergütung darstellen können.

Eine verwert- und vergleichbare Leistungserfassung lässt sich jedoch nur mit einem informationsgestütztem Verfahren in Form von Pflegeinformationssystemen erzeugen, da jedwedes freitextliches Fixieren von Informationen zu einer unüberwindbaren und kaum verarbeitbaren Flut von unstandardisierten Daten führen würde.

Unter Berücksichtigung des oben beschriebenen Aspektes sollte die Frage sicherlich nicht (mehr) lauten, ob es Sinn macht, Pflegeinformationssysteme in den Bereich der stationären und ambulanten pflegerischen Versorgung zu etablieren, sondern vielmehr, in welchem Umfang dies geschehen soll oder muss. Weiterhin stellt sich die Frage, inwieweit die erfassten pflegerischen Daten für den Pflegeprozess und für die praktisch tätigen Pflegenden in den Pflegeeinrichtungen verwertbar sein sollen.

Wenn eine EDV- gestützte pflegerische Tätigkeitserfassung nicht nur einem internen oder externen Controllingverfahren oder bestenfalls einem institutionsübergreifenden Benchmarking zur Verfügung stehen soll, ist es jedoch häufig notwendig, dass neben der Anschaffung eines leistungs- und prozessgerechten Pflegeinformationssystems auch institutionsinterne, oftmals veralterte, tradierte Strukturen modifiziert werden müssen.

Bereits in einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1998 erkennt Busse, dass „das „Aufpfropfen“ von EDV- Applikationen auf insuffiziente Leistungsstrukturen (diese) verstärkt (...) und auch hochwertigste EDV- Anwendungen „vertrocknen““ lässt. (Busse, 1998, S. 160) (2)

„Pflegeinformatik erleichtert den Umgang mit Daten, Informationen und Wissen in der Pflegetätigkeit und stellt Entscheidungsgrundlagen für alle am Pflegeprozeß beteiligten Personen" dar. (freie Übersetzung nach Staggers, Bagley- Thompson, 2002) (3)

Mit der Hilfe von Pflegeinformatik erfasste Daten können somit den Pflegeprozess abbilden, welcher durch EDV- gestützte Pflegeinformationssysteme in standarisierte Form gebracht werden kann. Diese Daten bilden langfristig eine mögliche Finanzierungsgrundlage für professionelles pflegerisches Handeln. Oder umgekehrt: „Die Konzentration auf unzureichend erfasste (Einf. d. Verf.) Daten über den tatsächlichen Pflegeaufwand führt zu einem Abbau von qualifiziertem Pflegepersonal, dieser wiederum führt zu sinkender Versorgungsqualität und damit letztendlich zu höheren Kosten. Dieser Fehler, den andere Länder bereits gemacht haben, muss sich in Deutschland nicht wiederholen. (...)“ (dt. Pflegerat, 2006) (1)

(1) Hunstein, Dirk, König, Peter, Müller, Meinolf, Vermeiden von Fehlentwicklungen durch korrekte Abbildung des Pflegeaufwands im G- DRG- System, 30.März 2006, http://www.deutscher-pflegerat.de/weiterentwicklung.html, 01.12.2006

(2) Busse, Thomas, OP- Management, R.v. Dekker´s Verlag, Heidelberg, 1998

(3) freie Übersetzung von Staggers & Bagley- Thompson, 2002, http://www.dgpi.org/typo3Quickstart/, 28.11.2006

8 Comments:

Blogger B.Besserer said...

Ich denke, die Frage ob wir ein EDV - gestütztes Pflegedokumentationssystem benötigen oder nicht, muss in der Tat nicht mehr gestellt werden.
Die Frage die sich mir stellt, ist auch die nach der Institutionsübergreifenden Vernetzung der Bemühungen, brauchbare Systeme mit einer einheitlichen Sprache zu entwickeln.
Es gibt Kritikerinnen bezüglich von Pflegediagnosen so z.B. Annemarie Kesselring die auf die Unmöglichkeit von Wertfreiheit hinweist. Da Pflegediagnosen von Menschen für Menschen erstellt werden, gehen auch deren subjektive Wert in den Diagnoseprozess mit ein. Idealerweise sind die Erstellung und Erfassung von Pflegediagnosen in Zusammenarbeit mit den Pat. durchzuführen. Dies findet in der Praxis nicht statt. Es ist nicht immer möglich Pat. in die Planung von Pflege mit ein zu beziehen. In wie weit es günstig ist, Unstimmigkeiten zw. Pflege und Klienten mit zu berücksichtigen oder ob es zum Vorteil der Pflege gereicht, ihre Einschätzungen dem Pat. mitzuteilen, ist kritisch zu beurteilen (Käppeli).
Der Anspruch der einheitlichen Fachsprache lässt den Unterschied zw. Begriff und Bedeutung unbeachtet. Ebenso wie der Kontext und die dahinter stehenden Werte. Es gibt keine objektive Information! Berufsspezifische und kulturelle Aspekte bleiben unberücksichtigt. (Kesselring).

09 December, 2006  
Blogger sascha said...

Sicherlich lässt sich an dieser Stelle das Für und Wider von Pflegediagnosen diskutieren, jedoch muss berücksichtigt werden, dass es ohne eine standardisierte, einheitliche Terminologie keine Finanzierungsgrundlage, die über die Konzepte Körperpflege, Mobilität, Ernährung und hauswirtschaftliche Versorgung hinaus geht, geben kann. Wie sonst lässt sich pflegerischer Personalaufwand ermitteln, wenn nicht auf Basis einer standardisierten Datengrundlage?! „Anhand dieser Datenbasis können interessante Statistiken erstellt werden, die Auskünfte über das zukünftige Aufkommen an Arbeitskräften in den jeweiligen Disziplinen liefert“ (Gordon, M, Bartholomeyczik, S, Pflegediagnosen Theoretische Grundlagen, Urban & Fischer, München, Jena, 2001, S. 433). Unumstritten ist sicherlich, dass Pflegediagnosen subjektive Wahrnehmungen abbilden, jedoch sind sie lediglich die Grundlage für pflegerische Interventionen (vgl. NANDA, 1990) und damit Teil des Pflegeprozesses.
Falls es der professionellen Pflege nicht gelingt Pflegediagnosen und ein Nursing Minimum Data Set zu nutzen „wird die Pflege innerhalb des Gesundheitswesens unsichtbar bleiben. Und was nicht sichtbar ist, kann auf Dauer auch nicht finanziert werden. (Goossen, W, Informationstechnik in der Pflege, in Etzel, B.S. (Hrsg.), Pflegediagnosen und die internationale Klassifikation Pflegerischer Praxis, Kohlhammer, 2000, S. 104)

10 December, 2006  
Blogger Kuredu said...

Die Frage, ob solche Systeme im Pflegebereich genutzt werden sollten, erscheint in der Tat anachronistisch, da, so betonen die AutorInnen des Artikels „Eine Typologie für Pflegeprozesse am Beispiel des Projektes „Pflegeprozess, Standarisierung und Qualität im Dienstleistungssektor Pflege““, vom Institut für angewandte Pflegforschung der Universität Bremen, „standardisierte und institutionsübergreifende Pflegeprozessdaten ein wesentlicher Qualitätsbestandteil im Dienstleistungssektor der Pflege sind“. (1)

Der Nutzen dieser Daten erfährt vor dem Hintergrund des Postulates im Sozialgesetzbuch, ein ausreichendes und notwendiges Pflegeangebot für PatientInnen und BewohnerInnen bereitzuhalten, eine gewichtige Bedeutsamkeit. (2)
Weiterhin wird die Leistungserfassung der Pflege in Zukunft gerade durch gesetzliche Rahmenbedingungen (3) immer mehr an Relevanz gewinnen. Ohne eine assessmentgestützte Planung und Leistungserfassung kann man keine mess- und überprüfbare Leistung erbringen, die Übernahme der entstandenen Kosten durch die Kostenträger nicht einfordern.

(1) Almut, Güttler, Karen, Lehmann. 2003. Eine Typologie für Pflegeprozesse am Beispiel des Projektes „Pflegeprozess, Standarisierung und Qualität im Dienstleistungssektor Pflege“, Pflege 16: 153 – 160.
(2) § 12 SGB V, § 29 SGB XI
(3) § 17 KHG

18 December, 2006  
Blogger nalan said...

Der Nutzen von Pflegeinformationssystemen in manchen Altenheimen ist undenkbar groß!
Aufgrund der Leistungserfassung ist eine höhere Transparenz gegenüber Bewohnern, Angehörigen verschiedenen Berufsgruppen intern sowie extern (z.B. Ärzte, MDK etc.) möglich.
Aus meiner Erfahrung kann ich vom Erfolg, bei Höherstufungen von Bewohner berichten, die aufgrund des Pflegeaufwandes mittels Pflegeminuten ermittelt werden konnten.
Anhand der ermittelten Werte bestand ein Anspruch, der dem MDK zugrunde gelegt werden konnte, und anschließend Annerkennung fand indem Anträge bewilligt wurden.
Fraglich ist es jedoch, ob es einen direkten Zusammenhang zwischen der tatsächlichen Erfassung von Pflegeaufwand und dem Erhalt von qualifizierten Pflegepersonal oder Pflegehilfskräften gibt?

28 December, 2006  
Blogger sebald said...

In diesem Punkt ist die Schweiz mal wieder Vorreiter. Denn im Kantonspital St. Gallen und dem Universitätsspital Zürich wurde bereits Ende der 80er der Grundstein für das heute bestehende LEP gelegt. LEP (Leistungserfassung in der Pflege) dient der Standardisierung im Gesundheitswesen und hat maßgeblich die Einführung der Fallpauschale beeinflusst.

http://de.wikipedia.org/wiki/Leistungserfassung von Pflegeleistungen

26 February, 2007  
Blogger sascha said...

Auch wenn in der Schweiz LEP zur Leistungserfassung seit Jahren bereits genutzt wird, finanziert sich das schweizer Gesundheitssystem selbst noch nicht auf der Basis DRG- basierter Fallpauschalen.
„Die tarifwirksame Einführung eines DRG- Systems soll hingegen erst (Einf. des Verfassers) stufenweise ab dem Jahr 2008 beginnen“ .
Im Gegenteil. Tatsächlich wird die Schweiz das deutsche G- DRG- Modell in wesentlichen Teilen zur Finanzierung seines Spitalwesens und als Finanzierungsgrundlage für relevante Sozialversicherungen übernehmen.
„Dieses leistungsorientierte Fallpauschalensystem soll nicht nur in allen Spitälern der Schweiz eingeführt werden sondern auch für sämtliche obligatorische Sozialversicherungen (obligatorische Krankenversicherung, Unfall-, Militär- und Invalidenversicherung)“1.
Da hier das, an schweizer Verhältnisse angepasste, G- DRG- System übernommen wird, ist zu erwarten, dass pflegerische Leistungserfassung, wie in Deutschland auch, kaum Berücksichtigung finden wird.
Schweizer Pflegewissenschaftler werden hier ähnliche Verhandlungen führen müssen, wie sie zur Zeit in Deutschland geführt werden. Und ob pflegerische Leistungen zur Krankenhausfinanzierung in der ersten schweizer DRG- Fassung bereits aufgenommen werden, mag ich an dieser Stelle bezweifeln.
LEP wurde bisher eher als ein Instrument zur Darstellung und Planung von Pflegeprozessen genutzt. Ob LEP das geeignete Instrument ist um den Ansprüchen an einer DRG- konformen Leistungsdarstellung gerecht zu werden wird sicherlich in Studien noch belegt werden müssen. Kritisch hinterfragt werden sollte vielmehr ob LEP zu diesem Zweck unreflektiert übernommen werden sollte, nur weil es in der Schweiz seit Jahren etabliert ist....

(1) http://www.swissdrg.org/assets/pdf/de/Pressemitteilung_Systemwahl_19_12_05-d.pdf

26 February, 2007  
Blogger Udo said...

Meiner Meinung nach stellt sich sicherlich nicht mehr die Frage, ob ein Pflegedokumentationssystem überhaupt Sinn macht. In vielerlei Hinsicht erleichtert mir ein solches System die Arbeit beziehungsweise verkürzt sie. Eine Schwierigkeit in meinen Augen ist die Einführung. Finden derart komplexe Systeme auch bei Mitarbeitern Akzeptanz, die technisch weniger bewandert sind. Hier erscheint mir ebenfalls das professionelle Heranführen der Mitarbeiter an ein solches System als sehr wichtig. Sollte die Akzeptanz nicht vorhanden sein, ist das Dokumentieren mit dem besten System zum Scheitern verurteilt.

06 March, 2007  
Blogger P. Messerschmidt said...

Auch wenn meine posts nicht auftauchen, starte ich den Versuch mit einem Kommentar.
Neu an der Empfehlung der Arbeitsgruppe des DPR zu dem o.g Thema ist, das Aussagen getroffen werden, wie es möglich ist, eben nicht Pflegeaufwand durch geleistete und dokumentierte Leistungen retrospektiv nachzuweisen, sonderen prospektiv kalkulierbar, berechenbar zu machen. Die Anforderungen an die Leistungsdokumentation der Pflege umfasst :
Pflegediagnosen/NMDS/ICF zur Erfassung von Pflegebedürftigkeit;
die Integration von Pflegefall-gruppen oder einem modularen Systeme mit Angaben zu Zielen und Aufgaben von Pflege in DRG`s,da der Pflegeaufwand aus med. Daten nicht ableitbar ist;
ein Aufbau von Parallelsysteme in der Kalkulation, Kalkulationshäuser mit PP - und LEP Daten gegenüberstellen, externe Vergleiche anstreben.
Pflege muß die Leistungen nicht nach Tätigkeiten, sondern auch theoretisiebar begründen und durchführen können, um in den internen Budgetverhandlungen den entsprechenden Anteil begründen zu können.

Ich grüße Euch und hoffe es klappt

20 March, 2007  

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