Friday, December 22, 2006

Zeitersparniss durch Pfledokumentationssysteme

In diesem Beitrag wird auf die in Heidelberg vom Oktober 1998 bis Januar 1999 durchgeführten Studien zur Evaluation rechnergestützter Pflegedokumentation eingegangen. Die Studien behandelten unterschiedliche Fragestellungen (siehe bloggerbeitrag ssl vom 27.11.06).

Diese Darstellung bezieht sich auf die Fragestellung „Ändert sich durch den EDV Einsatz der Zeitaufwand für die Pflegedokumentation?“

Grundsätzlich gilt es zu sagen, das die Anforderungen an die Pflegedokumentation immer mehr wachsen, „ aber immer weniger mit Hilfe von Papier zu erfüllen sind“. (Ammenwerth E. et al. 2003). Die rechnerunterstützte Einführung der Pflegedokumentation stößt jedoch weiterhin auf Widerstände und findet nur zögerlich statt. Zeit ist vor allem in der Pflege immer ein viel genanntes Argument.

Das in dieser Studie eingesetzt Softwareprodukt PIK konzentriert sich schwerpunktmäßig auf die Pflegedokumentation im Rahmen des Pflegeprozesses. Nach einer Anamnese erfolgt die Erstellung eines Pflegeplanes in Verbindung mit einem Durchführungsplan und einem fortlaufenden Pflegebericht.

Die Studie wurde auf einer 23 Betten Station in der Psychatrischen Universitätsklinik in Heidelberg durchgeführt. Es handelte sich um eine randomisiert kontrollierte Studie. Bei der Testgruppe erfolgte die Pflegedokumentation PIK basiert, bei der Kontrollgruppe erfolgte die Pflegedokumentation konventionell. Die Stichprobengröße betrug 40 (20 je Gruppe). Als Zeitrahmen waren 4-6 Wochen vorgesehen. Als Hauptzielvariable war der Zeitaufwand der Dokumentation benannt.

Die Zeiterhebung erfolgte durch die Pflegekräfte selbst und fand patientenbezogen für die Themen Erstellung und Veränderung des Pflegeplanes, Maßnahmendokumentation und Pflegebericht statt.

Die Ergebnisse der Studie stellten sich wie folgt dar. Die Zeitaufwände in der PIK Gruppe waren vor allem im Bereich der Maßnahmendokumentation und der Berichtschreibung signifikant höher. Die Ergebnisse für die Pflegeplanung waren aufgrund der geringen Fallzahl nicht aussagefähig, wobei sich jedoch abgezeichnet hat, das in der PIK Gruppe 11 von 20 Patienten eine Pflegeplanung erhalten haben und in der Kontrollgruppe nur für 6 von 20 Patienten eine Pflegeplanung vorlag. Dies zeigt natürlich einen Vorteil der EDV unterstützten Pflegeplanung, da die Pflegekräfte durch vordefinierte, vereinfachte Pflegepläne eher bereit sind, solche zu erstellen.

Bei der Interpretation der Ergebnisse dieser Studie muss man berücksichtigen, das die Mitarbeiter bei der Durchführung erst seit vier Wochen mit PIK vertraut waren und noch mit einigen technischen Problemen zu kämpfen hatten.

Auch die Tatsache, das die Datenerhebung durch die Pflegekräfte selbst stattgefunden hat, was zu einer Unvollständigkeit der Daten geführt hat, muss bei der Bewertung der Ergebnisse betrachtet werden.

Das Problem der isolierten Untersuchung des Faktors Zeit ist, das sich mit der Einführung von PIK auch das Dokumentationsverhalten der Mitarbeiter an sich verändert hat und sie häufiger Pflegepläne erstellt haben und auch umfangreicher dokumentiert haben.

„Die erhobenen Aufwände sind nur vor dem Hintergrund der verschiedenen Dokumentationsumfänge vergleichbar. In unserem Fall ist zu vermuten, dass sowohl der erheblich höhere Umfang an Dokumentation in der PIK Gruppe als auch initiale Bedienungsprobleme zu den höheren Aufwänden in der PIK Gruppe geführt haben.“ (siehe link S.114)

Wäre in dieser Studie nicht auch der Umfang der Dokumentation berücksichtigt worden, würde man zu dem Fazit kommen, das PIK einen zu hohen Zeitaufwand mit sich bringt und dies als Argument gegen die Einführung eines solchen Dokumentationssystem nehmen.

Es ist demnach von Notwendigkeit in weiterführenden Studien zu diesem Thema die Einflussvariablen klar zu definieren und mitzubeurteilen. Die Abwägung der Einführung von EDV unterstützter Dokumentation darf nicht nur einseitig betrachtet werden, sondern muss von vielen Seiten beleuchtet werden.

Grade der Faktor Zeit sollte bei der Kosten- Nutzen-Frage differenziert betrachtet werden, da die Einführung eines neuen Systems durch Schulung und Eingewöhnung der Mitarbeiter immer einen hohen Zeitaufwand mit sich bringt.

Auch in einer Studie in der Universitätskinderklinik in Heidelberg von Kandert und Hoppe war der Zeitbedarf nach der Einführung von PIK in den ersten Wochen deutlich erhöht, er konnte aber im Verlauf wieder deutlich reduziert werden.

Weitere Links

http://pflegen-online.de/download/Ammenwerth.pdf


9 Comments:

Blogger sascha said...

Gerade der Aspekt "Zeitaufwand" wird, wie oben beschreiben, sicherlich zu häufig genutzt um sich gegen die Implementierung eines EDV- gestützten (Pflege-) Dokumentationssystems auszusprechen. In einer Studie von McKinsey zur Situation bundesdeutscher Krankenhäuser (McK, Wissen 19, Krankenhaus, Dezember 2006, S.126-131)wird beschreiben, dass "unterschiedliche Studien belegen, dass Ärzte (und das ist sicherlich auf Pflegekräfte transferierbar - Anm. d. Verfassers)täglich ein viertel ihrer Zeit mit Suchen von Befunden, Ergebnissen oder Kommentaren verplempern. Mit anderen Worten: Von vier angestellten Medizinern ist einer ausschließlich mit Suchen beschäftigt." (S. 128)Falls sich diese Zahlen auf den pflegerischen Bereich übertragen ließen - Studien hierzu sind mir nicht bekannt - wäre sowohl der Aspekt "Zeitaufwand", als auch der Aspekt "Kosten" schnell und leicht zu entkräften!

28 December, 2006  
Blogger B.Besserer said...

Der Zeitfaktor ist mit Sicherheit neben der Kostenfaktor einer der wesentlichen Punkte, die Kritiker EDV-gestützter Pflegedokumentationssysteme ins Feld führen. Meiner Ansicht nach lässt sich der Zeitaufwand durch ein ausgereiftes, sprich benutzerfreundliches System minimieren ( auf Fachmessen kursierte der Begriff „nurse proofed“ im Zusammenhang mit technischem Gerät, die Frage erhebt sich, ob dies ein anderer Begriff für „für Doofe“ sein soll, aber dies mag an anderer Stelle diskutiert werden...). Ebenso spielt die Begleitung durch Fachkräfte bei der Einführung eine wesentliche Rolle. Sind erste einmal diese „Wehen“ der Einführung überstanden, wird sich sicher kein Mensch mehr Gedanken über den zeitlichen Aufwand machen. Von Bedeutung ist natürlich auch, dass genügend Computer zur Verfügung gestellt werden, um von den verschiedensten Stellen unproblematisch Zugriff auf die Dokumentation zu erhalten.

29 December, 2006  
Blogger sascha said...

Das Problem der ausreichend zur Verfügung gestellten Rechner, zur Dokumentation von pflegerischen- und ärztlichen Leistungen, wurde beispielsweise im Krankenhaus Hamburg Barmbek durch die Einführung von "Palmtop´s" gelöst. Dies sind kleine "kittelkompatible" Handcomputer, welche jeder Mitarbeiter bei sich trägt. Die Datenübertragung wird mittels 700 W-Lan- Zugriffspunkten gesichert. "... Der Arzt trägt Anordnungen und Notizen mit einem Stift ein, Kollegen und Schwestern können die Angaben zeitgleich auf ihre mobilen Computern lesen ..." (Wilkens, K., McKinsey, Wissen 19, Krankenhaus, S. 128)Dieses Krankenaus brüstet sich mit dem Titel: "Futur Hospital" und stellt ein weltweites Modell- Projekt dar, welches durch das Land finanziert wird und durch Microsoft Deutschland und den Chip- Hersteller Intel unterstützt wird. Allein die Kosten für den entsprechenden Klinikneubau betrugen hierbei mehr als 160 Millionen Euro.

29 December, 2006  
Blogger IB said...

vor allem die Hardware und das verwendete Programm sollte bei der Einführung des Systems ausgereift sein und es ist weiterhin wichtig einen Ansprechpartner bei Problemen vor Ort zu haben, da sich sonst leicht Demotivation bei den Benutzern einstellt.

Außerdem muß ausreichend Zeit für Schulungsmaßnahmen eingeplant werden damit die Benutzer mit dem Umgang vertraut werden.

05 January, 2007  
Blogger vesi said...

Die Zeitersparnis eines vor kurzem eingeführten EDV- gestütztem Pflegedokumentationssystem in einer Studie zu erheben, erachte ich nicht als sinnvoll. Dass der Zeitaufwand in der Phase der Gewöhnung an ein neues System höher ist als in der routinierten Anwendung ist nicht von der Hand zu weisen und unumgänglich. Interessant ist sicherlich eine Studie, die erst nach der Eingewöhnung durchgeführt wird und somit vergleichbare Ergebnisse liefert.
Bei der Einführung eines Pflegedokumentationssystems ist es wichtig, einzelne Personen gezielt zu schulen, die als Multiplikator fungieren können. Weiterhin sollten sie auch als Ansprechpartner bei Problemen mit der Technik zur Verfügung stehen. Ein gutes Schulungskonzept verbunden mit entsprechend ausreichender Hardware wird sich mit Sicherheit positiv auf die Zeitersparnis und die damit
freiwerdenden Personalressourcen auswirken und liefert ein Argument für die Einführung eines Pflegeinformationssystems.

27 February, 2007  
Blogger sebald said...

Ich möchte an dieser Stelle meine Bedenken zur EDV gestützten Pflegeplanung äußern. Können vordefinierte Teile der Pflegeplanung wirklich exakte und genaue Aussagen zur Planung der Pflege jedes einzelnen Patienten machen? Führt das nicht dazu, dass man den enfacheren Weg nimmt und eine vordefinierte Aussage übernimmt, die aber nicht mit 100% auf den Patienten trifft?

28 February, 2007  
Blogger helga noll said...

Kommentar zu
Zeitersparnis durch Pflegedokumentationssysteme
Eine Zeitersparnis im Bereich der Maßnahmendokumentation und der besseren Lesbarkeit dürften eigentlich zu wenig sein um ein aufwendiges Pflegedokumentationssystem eventuell mit hohen Kosten einzuführen.
Ein elementarer Nebeneffekt sollte auch die sichere Entscheidungsfindung für neue notwendige Maßnahmen sein, wenn umfangreich dokumentiert wurde. Ein weiterer Nebeneffekt wäre eine eingebaute Plausibilitätsprüfung bei Medikamenten die bei multimorbiden Patienten gegenteilige Auswirkungen haben können.

HN

05 March, 2007  
Blogger helga noll said...

Kommentar zu
Zeitersparnis durch Pflegedokumentationssysteme
Eine Zeitersparnis im Bereich der Maßnahmendokumentation und der besseren Lesbarkeit dürften eigentlich zu wenig sein um ein aufwendiges Pflegedokumentationssystem eventuell mit hohen Kosten einzuführen.
Ein elementarer Nebeneffekt sollte auch die sichere Entscheidungsfindung für neue notwendige Maßnahmen sein, wenn umfangreich dokumentiert wurde. Ein weiterer Nebeneffekt wäre eine eingebaute Plausibilitätsprüfung bei Medikamenten die bei multimorbiden Patienten gegenteilige Auswirkungen haben können.

HN

05 March, 2007  
Blogger helga noll said...

Bei der Entscheidung zum Kauf einer Software werden individuelle Gegebenheiten der Einrichtung maßgebend sein. Überlegungen für Risikomanagement ist ein weiteres Kriterium für eine Kaufentscheidung.
Neben der Verpflichtung der Qualitätssicherung ist ein Ausfall, vollständig oder Teilweise einer Softwäre ein Kosten- und Zeitfaktor, der den bisherigen Einsparungen entgegenläuft.
Kosten für Beratung, Fehlersuche, Neue Dateneingabe usw. Hier ist neben dem Kosten- und Zeitfaktor auch ein hohes Fehlerpotential zu sehen.
Sinnvoll ist vor dem Kauf eine Risikoabschätzung und ein Notfallplan mit EDV Entwicklern , Pflegemitarbeitern und Management erstellen.

06 March, 2007  

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