Friday, December 29, 2006

Kostensenkung durch die Nutzung einer Elektronischen Patientenakte?

Hübner beschreibt in einer bundesweiten Studie aus dem Jahr 2005/ 2006 den aktuellen Implementierungs- und Nutzungsgrad der elektronischen Patientenakte (EPA). An dieser Studie hatten sich 335 von 2181 Krankenhäuser in Deutschland beteiligt.

Die Studie mit dem Titel „IT- Report Gesundheitswesen“ befasst sich unter anderem mit der Fragestellung wie der aktuelle Status und der zu erwartende Nutzen der EPA- Implementierung in deutschen Krankenhäusern zu bewerten ist.

Als Ausgangssituation wurde beschrieben, dass in der gesichteten internationalen Literatur ein Defizit zur konkreten Aussage zu Nutzen, Status und Potential der EPA bestünde (vergl. Hübner, 2006)(1) und dass, „wenn Aussagen getroffen werden, so stehen überwiegend ökonomische Aspekte im Vordergrund“ (Hübner, 2006)(1). Gründe hierfür liegen in der Annahme, dass sich ökonomische Aspekte anhand einer einfach durchführbaren Kosten- Nutzen- Analyse treffen lassen. Im Hinblick auf Aussagen zur Qualitätssteigerung in der Patientenversorgung durch die Nutzung der EPA, gibt es jedoch kaum auswertbares Material, da allein die Definition des Begriffes „Qualität“ in der Literatur unterschiedlich bewertet wird.

Die relevanten Ergebnisse dieser Studie ergaben unter anderem, dass zum Zeitpunkt der Befragung 8,6% der Krankenhäuser eine „voll funktionsfähige EPA im Einsatz haben“, wobei 42,2% entweder eine EPA bereits besitzen, oder zur Zeit dabei sind diese zu implementieren. Den größten Nutzen sahen 94,7% aller Befragten in der Verfügbarkeit von Daten (Hübner, 2006)(1).

An dieser Stelle sei jedoch anzumerken, dass dieser relativ hohe Anteil von immerhin fast 50% EPA- Nutzung/ -Implementierung in Kliniken das Ergebnis der Befragung von „nur“ 15,4% aller bundesdeutschen Kliniken widerspiegelt. Die Frage welche an dieser Stelle gestellt werden sollte ist, ob und in welcher Form die verbleibenden 84,6% aller Krankenhäuser Interesse an elektronischen Daten- und Pflegeinformationssystemen haben oder diese bereits nutzen, und falls nicht, warum nicht?

Außerdem ist zu hinterfragen inwieweit ein individueller, mitarbeiterbezogener, praktischer Nutzen durch die Implementierung einer EPA innerhalb einer Institution zu erwarten ist und welchen ökonomischen Einfluss eine bessere Verfügbarkeit von Daten auf den Wertschöpfungsprozess hat.

Als eine mögliche Hypothese könnte hieraus hervorgehen, dass eine umfassend implementierte EPA zur generellen zeitlichen Ersparnis bei allen an der Patientenversorgung beteiligten Berufsgruppen beitragen könnte. Dies wird in einer aktuellen Studie von McKinsey zur Situation von Krankenhäusern in der Bundesrepublik Deutschland deutlich. Hier beschreibt der Autor, dass "unterschiedliche Studien belegen, dass Ärzte (und das ist sicherlich auf Pflegekräfte transferierbar - Anm. d. Verfassers) täglich ein viertel ihrer Zeit mit Suchen von Befunden, Ergebnissen oder Kommentaren verplempern. Mit anderen Worten: Von vier angestellten Medizinern ist einer ausschließlich mit Suchen beschäftigt." (Wilkens, K., 2006)(2) Falls sich diese Zahlen auch nur teilweise auf den pflegerischen Bereich übertragen ließen - Studien hierzu sind mir nicht bekannt - wäre sicherlich ein positiver Einfluss auf den Kostenfaktor "Personalkosten" durch eine einfache Kosten- Nutzen- Rechnung zu ermitteln. Eine verbesserte Datenverfügbarkeit könnte somit den Kostenblock „Personalkosten“ entscheidend senken.

Im Hinblick auf die (Behandlungs-) Qualität lässt sich jedoch, wie oben beschrieben, kaum eine Verbesserung und damit ein praktischer Nutzen belegen. Currell und Urquhart beschreiben in ihrer Studie, dass eine EDV- gestützte Dokumentation zwar eine Zunahme der Dokumentationsquantität bewirkt, eine Verbesserung der Versorgungsqualität jedoch kaum zu belegen ist. Zudem sei der individuelle zeitliche Aufwand bei einem EDV- gestützten Dokumentationssystem deutlich erhöht. „Computerised nursing information studies showed an increase in recording but no change in patient outcomes. Care planning took longer with these computerised systems”. (Currell R, Urquhart C, 2003)(3). Hieraus ergibt sich, dass Personal durch eine verbesserte Datenverfügbarkeit Zeit einsparen kann, jedoch durch eine Vermehrte quantitative Dokumentation Personal gebunden wird, ohne dass hierdurch die Versorgungsqualität für den Patienten steigt.

Dies stellte bereits der Verfasser des Bloggs “Zeitersparnisse durch Pflegedokumentationssysteme“ fest und belegte dies durch eine entsprechende deutsche Studie.

In den meisten Studien, welche einen erhöhten Zeitaufwand bei der Dokumentation von Leistungen innerhalb eines Versorgungsbereiches beschreiben, fand jedoch die Datenerhebung innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums statt. Meiner Meinung nach ist durch die langfristige Nutzung von EDV- gestützten (Pflege-) Informationssystemen eine individuelle Zeitersparnis durch Routinierung in der Anwendung mit diesem Instrument zu erwarten. Studien, welche diese Annahme bestätigen stehen zur Zeit jedoch noch aus.

Das städtische Klinikum Gütersloh erprobte seit 2002 die EPA als Medium der Dokumentation mit dem Ziel, die zur Verfügung stehenden Zeit im Sinne der Patienten besser nutzen zu können und eine erhöhte Transparenz zu erreichen (vergl. Pflegebrief, 2003)(4). Jedoch wurde in dieser Implementierungsphase sowohl die elektronische-, als auch ein konventionell schriftliche Dokumentation parallel geführt. Diese Tatsache erhöht in aller Regel nicht die Akzeptanz bei den beteiligten Berufsgruppen für den Einsatz des neuen Mediums.

Inwieweit die Erwartungen des Klinikums nach der regelhaften Implementierung der EPA im Hinblick auf den zu erwarteten Nutzen erfüllt wurden, ließ sich jedoch an dieser Stelle nicht recherchieren. Auch hier wären weiterreichende, begleitende Studien wünschenswert gewesen.

(1) Hübner, U., Elektronische Patientenakte (EPA) – aktueller Status und Nutzungspotentiale in deutschen Krankenhäusern, 2006, http://www.egms.de/en/meetings/gmds2006/06/gmds333.shtml gesichtet: 12.12.2006

(2) Wilkens, K., McK, Wissen 19, Krankenhaus, Dezember 2006, S. 128

(3) Currell R., Urquhart C., Nursing record systems: effects on nursing practice and health care outcomes, 2003, http://www.cochrane.org/reviews/en/ab002099.html gesichtet: 22.12.2006

(4) Pflegebrief Nr.72, 01/2003, S.2, http://www.pflegen-online.de/html/pflegebrief/pflegebrief_2003_01.pdf?PHPSESSID=dda0b2b086fe912ee80463bac578b837 gesichtet: 18.12.2006

7 Comments:

Blogger B.Besserer said...

Da nun eine Vielzahl von Krankenhäusern EPA einführen, wird es in Zukunft mit Sicherheit vermehrt Studien über die damit anfallenden Kosten und Nutzen gegeben. Auch werden verwertbare und hoffentlich auch vergleichbare Daten gesammelt werden, die, so ist meine Hoffnung, die leidige Diskussion um hohe Implementierungs- und Schulungskosten entkräften. Der Verfasser des Bloggs „Perspektiven der Informationstechnologie in der Pflege“ zitiert eine Studie von Opitz „...das enorme Einsparungspotential durch Erinnerungs- und Warnsysteme...“, des Weiteren wird eine Studie in Salt Lake City/USA aufgeführt, bei der 6 Monate nach Implementierung eines Reminder-gestützten Dokumentationsmoduls die Dekubitusinzidenzrate von 7% auf 2% gesunken war.
Wenn es uns gelingt, ebensolche Daten zu sammeln und auszuwerten wäre die Pflege einen erheblichen Schritt vorwärts gekommen.

29 December, 2006  
Blogger IB said...

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05 January, 2007  
Blogger santa claus said...

Jeder, der Berufserfahrung im Krankenhaus gemacht hat, ist hinlänglich vertraut mit dem lästigen Suchen nach Akten, Labor- und Untersuchungsbefunden. Dies ist stets und für mehrere Berufsgruppen mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden.
Der angeführte Verweis auf Studien, die belegen, dass Ärzte ein Viertel ihrer Arbeitszeit mit dem Suchen nach Patientendaten und -dokumenten verbringen, übertrifft meine Vorstellung allerdings bei weitem.
Die Verfügbarkeit von Daten durch eine EPA und das ersatzlose Streichen der bisher üblichen Suchaktionen zöge enormen personellen Zugewinn nach sich. Rechnete man Kosten (EPA-Anschaffungs-, Schulungs- und sonstige Kosten) gegen Nutzen (die freiwerdenden Personalkosten), so geht die EPA eindeutig als Gewinner hervor: Allein das Freiwerden dieser bislang gebundenen Personalressourcen rechtfertig die Investition und Nutzung einer EPA.

06 January, 2007  
Blogger sabine said...

Ich habe an anderer Stelle http://www.health-informatics.de/gmds_ni/checkliste%20fuer%20einfuehrung.pdfInformationen Informationen über Kosten von Pflegeinformationssystemen gefunden. Diese Kosten werden untergliedert in investive und laufende Kosten. Bei den investiven Kosten geht es vor allem um Hardware und Software,aber auch die infrastrukturellen Voraussetzungen spielen eine große Rolle, wie z.B. Vernetzung, Umbauten und Möbel. Des weiteren entstehen investive Kosten für Dienstleistungen, wie Projektmitarbeiter, Schulungen und Installationen.
Die laufenden Kosten beinhalten vor allem die Wartung und Softwarepflege, die laufende Schulung, die Verbrauchsmaterialien und die Kosten für den DV-Beauftragten.
Es wäre meiner Meinung nach sehr interessant, diese Kosten den von Sascha genannten "Personalkosten durch Aktensuchen" gegenüberzustellen. Ich finde es verwunderlich, das es darüber so wenig Informationen gibt. Es müsste ja auch im Sinne der Softwarefirmen sein, solche Erhebungen durchzuführen.

22 January, 2007  
Blogger sebald said...

Was ist eigentlich der vorwiegende Grund für die Einführung der EPA?
Ist es die Kostensenkung die dadurch erreicht werden soll, oder will man die Qualität der Pflege steigern?
Denn ich glaube, dass es schwierig ist, beides zu vereinen, da es immer einen Schwerpunkt geben wird und das andere Ziel immer mehr und mehr in den Hintergrund gelangt. Außerdem wird es meiner Meinung nach so sein: wenn Personal durch die EPA eingespart werden soll, sind die Mitarbeiter demotiviert und werden wohl kaum mit der dann voliegenden Einstellung die Qualität der Pflege verbessern.

28 February, 2007  
Blogger sascha said...

Zu diesem Kommentar möchte ich gerne Petry aus der aktuellen Ausgabe der Pflege zitieren. „Orientiert man sich an den Erfahrungen aus den USA, werden die Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Pflegenden und Patientinnen und Patienten einschneidend sein. Die zu betreuende Patientenzahl und die Pflegeintensität werden sich erhöhen, die Anzahl qualifizierter Pflegepersonen wird abnehmen und die durchschnittliche Interaktionsdauer mit den Patientinnen wird sich weiter verringern. Das «Kennen der Patientinnen und Patienten» wird sich auf physiologische Funktionen reduzieren; das Kennen der Person wird zu einem Luxus, und emotionale, soziale- spirituelle und Informationsbedürfnisse der Betroffenen werden kaum oder gar nicht mehr berücksichtigt werden können, da der Sicherheitsgedanke ganzheitliche und kompetente Pflege als Qualitätsmerkmal ersetzen wird. Die Pflege wird depersonalisiert, Patientinnen und Patienten werden zu Objekten, Fehlerquoten steigen und das Risiko von Komplikationen erhöht sich, da Veränderungen nicht frühzeitig erkannt werden können (Whittemore, 2000; Minick & Harvey, 2003; Beyea, 2006). Diese Entwicklungen scheinen unaufhaltsam, und doch haben wir eine moralische Verpflichtung, ihnen entgegenzuwirken, Antworten zu finden zum Wohle der Patientinnen und Patienten und der Profession. Welches sind jedoch unsere Antworten, wenn es dazu kommt, dass Pflegende zu Lieferanten, Patientinnen und Patienten zu Marktanteilen, Gesundheit zu einer Ware, Pflege zu einer Produktlinie (Donley, 1996) und menschliche Beziehungen zu geschäftlichen Transaktionen werden und die elementaren Werte unseres Berufes untergraben?“ (1)
Meiner Meinung nach besteht eine mögliche Antwort unter anderem darin, den administrativen pflegerischen Aufgabenbereich soweit praktikabler zu gestalten, dass es zu einer Vereinfachung und Erleichterung dieser Dokumentationstätigkeiten kommt. Denn oftmals findet noch immer diese Dokumentation in den verschiedensten, unübersichtlichen, nicht kompatiblen Dokumentationssystemen, sowohl in handschriftlicher-, als auch zusätzlich ergänzend oder komplett isoliert in elektronischer Form statt. Elektronische Pflegeinformationsinstrumente können hierbei eine entscheidende Rolle spielen und den Pflegenden mehr Freiraum für ihre originären praktischen Tätigkeiten schaffen.

(1) H. Petry, „ Die «Patientinnen und Patienten kennen» im Kontext eines ökonomisierten Gesundheitswesens“
http://www.verlag-hanshuber.com/zeitschriften/servepdf.php?abbrev=PFL&show=fulltext&year=2007&issue=1&file=PFL020010002.pdf

28 February, 2007  
Blogger helga noll said...

Kommentar zu
Kostensenkung durch die Nutzung einer elektronischen Patientenakte?


Neben der Vefügbarkeit sind die Vertraulichkeit, und Integrität die tragenden Säulen für Datenschutz und Datensicherheit..
Blobel und Pommerening (1997) führen die Gefährdung der Patienten durch fehlerhafte Prozeduren , unrichtige oder unvollständige Daten an. Weiterhin befürchten sie durch die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Verantwortung von Maßnahmen und die eventuelle Abrufbarkeit oder löschen von Dateien von nicht befugten Mitarbeitern weitere Gefährdung
Zugriffsrechte für bestimmte Daten, Es sollte auch die Möglichkeit gegeben sein nur Teile einer EPA zu versenden z. B: an den MDK der für Gutachten z. B: zu Pflegeeinstufung nur die pflegerelevanten Daten benötigt.


HN

05 March, 2007  

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